Stresssignale erkennen, Entschleunigen, Konzentration auf eine Tätigkeit − Experte Prof. Dr. Jörg Fengler gibt Tipps zur Burnout-Prävention

© Prof. Dr. Jörg Fengler

„Das schlägt mir auf den Magen!“ oder „Ich würde am liebsten den Kopf in den Sand stecken!“ sind typische Redensarten, die mehr oder weniger bewusst unsere physischen Reaktionen auf Stress beschreiben. Körperliche Signale sind wichtige Indikatoren dafür, dass etwas im Arbeits- oder Privatleben schief läuft. Wie können wir sie richtig deuten und verhindern, dass wir im Job ausbrennen? Experte Prof. Dr. Jörg Fengler gibt zehn Tipps, wie Sie Ihren Körper besser verstehen lernen und sich vor einem Burnout schützen können.

  1. Achten Sie auf Stresssignale
    Ihr Körper und Ihre Seele senden Ihnen Signale, die Ihnen anzeigen, wie stressig Ihr Leben gerade ist. Achten Sie auf Ihr „Stressorgan“. Das kann das Herz, der Magen, der Nacken oder der Rücken sein, aber auch das Denken, das Fühlen, die Konzentration, die Zuversicht und die Stimmungslage. Danken sie diesen Signalen dafür, dass sie Sie so zuverlässig über Ihren Stresszustand informieren. Denn Ihre Stressorgane tun dies ganz unbeirrt davon, ob Sie diesen Signalen folgen oder nicht.

  2. Üben Sie die Entschleunigung
    Entschleunigen Sie gerade dann, wenn Sie unter Druck stehen. Folgen Sie den Stresssignalen und fragen Sie sich, was es bedeutet, wenn sich der Magen, der Kopf- oder der chronische Rückenschmerz meldet. Es gibt eine Redensart zur Entschleunigung, die klingt zunächst paradox: „Wenn du es eilig hast, gehe langsam“.

  3. Sprechen Sie über Ihre Präventionspläne
    Reden Sie am besten mit einer Ihnen wohlgesonnenen und klugen Person darüber, wie Sie beabsichtigen, Ihre Stressbelastung zu reduzieren. Das dient einer äußeren Überprüfung und Validierung der eigenen Pläne. Die Kunst desjenigen, der berichtet, liegt dann darin, den Rückmeldungen und Verbesserungsvorschlägen des anderen aufmerksam und ruhig zuzuhören und das Gesagte vielleicht erst einmal unkommentiert einige Zeit wirken zu lassen. Oft stellt sich die Einsicht nämlich erst mit Verzögerung ein.

  4. Konzentrieren Sie sich auf eine Sache
    Widmen Sie sich immer nur einer Tätigkeit und das möglichst vollständig. Das heißt: Keine Ablenkung, kein Multitasking, kein „schnell mal zwischendurch eine SMS schreiben“, sondern nur eine Tätigkeit verrichten und das mit voller Konzentration. Wenn das abgeschlossen ist, können Sie zur nächsten Tätigkeit übergehen. Nur so können Sie Ihre Kraft bündeln und sich mit einer Sache voll und ganz beschäftigen. Die Folge sind schöne „Flow-Erlebnisse“: Bei ganz alltäglichen Tätigkeiten versinken wir ganz in dem, was wir gerade tun!

  5. Schaffen Sie Ordnung
    Bringen Sie in Ihre Arbeitsvorgänge eine individuelle Form der Ordnung, zum Beispiel, indem Sie Dinge immer an der gleichen Stelle ablegen, um sie dann schnell wiederzufinden. Seien Sie trotzdem flexibel, wenn etwas nicht nach Ihrem Ordnungsplan läuft. Wenn Sie zum Beispiel einmal doch schnell etwas ablegen müssen, ordnen Sie es zu einem späteren Zeitpunkt wieder in Ihr Ordnungssystem ein. Wenn Ordnung und Flexibilität sich ergänzen, wird Ordnung nicht pedantisch und Flexibilität führt nicht ins Chaos. Ordnung in Verbindung mit Flexibilität erleichtert das Leben sehr und verhindert damit präventiv Stress.

  6. Arbeiten Sie mit To-Do-Listen
    Schreiben Sie all das auf, was Sie am Tag erledigen wollen. Die Liste muss zunächst keine Priorisierung haben, sondern folgt den Einfällen, die Sie haben und den Terminen, die in Ihrem Kalender stehen. Wenn die Liste fertig ist, beginnen Sie mit dem, was an diesem Tag am dringlichsten und am wichtigsten ist. Legen Sie eine Zeitvorgabe fest, in der Sie diese Aufgabe erledigt haben wollen. Dies gründet auf der paradoxen Beobachtung, dass jede Arbeit in der Regel genau so lange dauert, wie wir ihr Zeit einräumen. Wenn dies einmal nicht so ist und Sie zum festgelegten Zeitpunkt noch nicht fertig sind, können Sie entweder in Ruhe daran weiter arbeiten oder einmal Ihre Arbeitsmethodik überprüfen. Wenn Sie früher fertig sind, dann haben Sie beispielsweise Zeit, eine Pause zu machen, Ordnung in Ihre Ablage zu bringen, oder sich früher einer neuen Aufgabe zu widmen.

  7. Erkennen Sie belastende und förderliche Faktoren
    Machen Sie sich klar, welche inneren und äußeren Rahmenbedingungen für Ihre Arbeit belastend und welche förderlich sind. Es gibt innere und äußere Faktoren, die unserem Fleiß Grenzen setzen. Zu den inneren Faktoren zählen Arbeitstempo, Konzentrationsfähigkeit, Hunger und Durst. Äußere Faktoren können Lärm, Unterbrechungen oder die Vielzahl der Aufgaben sein, die gleichzeitig erledigt werden sollen.

    Nehmen Sie all diese Faktoren in Augenschein und überlegen Sie zunächst, welche förderlichen, inneren Bedingungen Ihnen helfen, Dinge rasch voranzutreiben. Überlegen Sie, wie Sie diese bewahren oder sogar ausbauen können. Legen Sie fest, welche förderliche äußerlichen Rahmenbedingungen Sie schaffen können, zum Beispiel indem Unterstützung, Planung sowie Koordination mit Kollegen und Kolleginnen intensiviert werden. Fragen Sie sich, wie belastende Faktoren eingegrenzt oder gar abgeschafft werden können. Versuchen Sie, dabei wirklich einzuschätzen, welche äußeren Bedingungen sich auch tatsächlich ändern lassen und welche nicht.

    Verwenden Sie keine Energie und Zeit für Rahmenbedingungen, die im Moment nicht veränderbar sind. Gemäß dem sogenannten Gelassenheitsgebet: „Gott, gebe mir den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann und Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“

  8. Teilen Sie sich mit
    Sprechen Sie über Ihre Erfolge und Misserfolge mit Ihnen wohlgesonnenen Personen. Es kann behilflich sein, wenn jemand Ihr Bedauern teilt und Ihnen brauchbare Tipps zur Verbesserung gibt. Ihre Erfolge werden den Gesprächspartner erfreuen und Sie erfahren Ermutigung, den von Ihnen eingeschlagenen Weg weiterhin zu verfolgen. Das erhöht Ihren Schwung und Ihre Motivation.

  9. Bleiben Sie am Ball
    Eingeschliffene Stressmuster ändern sich nicht über Nacht. Es kann hilfreich sein, ein kleines Tagebuch zu führen über die täglichen Maßnahmen, die Sie zur Stressreduktion ergreifen. Notieren Sie sich die Erfolge, die Sie dabei erzielen.

  10. Finden Sie Balance
    Nutzen Sie das Bild der Balance, um Ihr Bemühen um Stressreduktion beurteilen zu können. Machen Sie sich klar, dass es nicht darum geht, ein stressarmes oder gar stressfreies Leben zu führen. Es geht um die Balance zwischen Stress und Ausgleich. Wenn Ihnen eine solche Balance gelingt, kommt das nicht nur Ihrem körperlichen und seelischen Wohlbefinden zugute, sondern auch der Arbeitsqualität und Ihrem Umgang mit anderen Menschen.

Prof. Dr. Jörg Fengler forscht im Rahmen seiner Lehrtätigkeit an der Universität Köln seit vielen Jahren zu dem Thema der Burnout-Prävention und Behandlung. Diese Tätigkeit setzt er an dem vom ihm gegründeten Fengler Institut für angewandte Psychologie fort. Zudem arbeitet er als Autor. In seinem Werk „Das kleine Buch gegen Burnout“ finden sich zahlreiche Übungen und Tipps für den Alltag, um Burnout wirkungsvoll vorzubeugen.

Übrigens

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